BGH, Beschluss vom 18.09.2001 IX ZB 51/00
BGH: Eine im Ausland erteilte Restschuldbefreiung
ist auch in Deutschland anzuerkennen
Leitsatz des Kommentators
Wenn sich ein deutscher Staatsangehöriger ins
Ausland begibt und sich dort einem Verfahren zur
Restschuldbefreiung unterwirft, welches den
Regelungen der InsO, insbesondere in Bezug auf die
Vermögensverwertung, grundsätzlich entspricht, so
ist eine dort erteilte Restschuldbefreiung auch im
Inland anzuerkennen. Die im Ausland ( hier:
Frankreich ) geltenden Fristen zur Erlangung der
Restschuldbefreiung müssen nicht den relativ langen
Fristen der deutschen Insolvenzverordnung
entsprechen.
BGH, Beschluss vom 18.09.2001 - IX ZB 51 / 00
Vorinstanzen: OLG Karlsruhe, LG Baden-Baden
Fundstelle: NZI 2001, 646 - 648
Zum Sachverhalt
Der Schuldner nahm 1992 einen Kredit bei der
Gläubigerin auf. Nachdem er nach Frankreich verzogen
war, erwirkte die Gläubigerin gegen ihn am 6.12.1994
beim Tribunal d´instance Haguenau eine Ordonnance
d´injonction de payer auf Zahlung von 134.813 FF
nebst Zinsen und Kosten. Am 28. 2. 1996 wurde gegen
den Schuldner vom Tribunal de Grande Instance de
Strasbourg das Konkurs- (Liquidations-) Verfahren
eröffnet. Am 18.5.1999 wurde dieses Verfahren
mangels Masse beendet und dem Schuldner
Schuldbefreiung gewährt. Auf Antrag der Gläubigerin
hat der Vorsitzende Richter einer Zivilkammer des LG
Baden-Baden mit Beschluss vom 24.6.1999 die
Erteilung der deutschen Klausel zur
Zahlungsanordnung des Instanzgerichts Haguenau vom
6.12.1994 angeordnet. Auf die dagegen gerichtete
Beschwerde des Schuldners hat das OLG den Beschluss
des LG abgeändert und den Antrag auf Erteilung einer
deutschen Vollstreckungsklausel zurückgewiesen.
Die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde der
Gläubigerin hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
B. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
I.
1.
Das OLG hat ausgeführt, der Erteilung einer
deutschen Vollstreckungsklausel stehe die schuldbefreiende Wirkung der Abschlussentscheidung
des französischen Liquidationsverfahrens vom
18.5.1999 entgegen:
Nach französischem Recht entfalte diese Entscheidung
auch Entschuldungswirkung gegenüber der deutschen
Gläubigerin. In den französischen Departements
Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle sei das französische
Insolvenzgesetz von 1985/1994 auf alle natürlichen
Personen - nicht nur Kaufleute - anwendbar. Die
Entschuldungswirkung nach Art. 169 des Gesetzes sei
aber nicht territorial auf diese drei Departements
beschränkt. Vielmehr beanspruche das französische
Insolvenzverfahren grundsätzlich universelle Geltung
auch im Ausland. Das treffe zugleich für die
Entschuldungswirkung ("suspension des poursuites")
zu. Diese gelte nach französischem Recht auch für
ausländische Gläubiger und für Gläubiger von
Forderungen fremden Rechts.
Diese Entschuldungswirkung sei - so führt das OLG
weiter aus - in Deutschland anzuerkennen. Insoweit
könnten keine anderen Maßstäbe gelten als bei der
Anerkennung der Wirkung ausländischer Vergleiche,
die zu einer Minderung von Forderungen führen
könnten (vgl. hierzu BGHZ 134, 79[82 f., 87 ff.] =
NJW 1997, 524 = LM H. 4/1997 § 1 VerglO Nr. 1). Nach
Art. 102 EGInsO, der den früheren
anerkennungs-rechtlichen Rechtszustand nur
bestätige, müssten vier Voraussetzungen für die
Anerkennung von Insolvenzwirkungen gegeben sein:
funktionelle Vergleichbarkeit des ausländischen
Verfahrens mit dem deutschen; internationale
Anerkennungszuständigkeit; Anspruch des fremden
Verfahrens auf Auslandswirkung sowie Vereinbarkeit
mit dem deutschen Ordre public. Alle diese
Voraussetzungen seien hier gegeben. Das französische
Liquidationsverfahren sei dem Verfahren der
deutschen InsO voll vergleichbar. Nachdem auch die
neue deutsche InsO die Entschuldung als
VerfahrensfOLGe der Liquidation kenne, bestehe zur
französischen "suspension des poursuites" nur ein
gradueller Unterschied. Das französische
Insolvenzgericht sei für die Durchführung des
Verfahrens zudem international zuständig gewesen.
Nach altem und neuem Insolvenzrecht sei bei
fehlender selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit
das Gericht des allgemeinen Gerichtsstands und damit
bei natürlichen Personen das Wohnsitzgericht
international zuständig (§ 71 I KO, § 3 I InsO, § 13
ZPO). Der Wohnsitz bestimme sich nach §§ 7 f. BGB.
Danach seien die ständige Niederlassung und der
Lebensmittelpunkt entscheidend. Der Schuldner hier
habe den Schwerpunkt seines familiären Lebens in
Frankreich, wo er und seine Familie gemeldet seien
und sich seine Familienwohnung befinde. Nicht
ausschlaggebend könne sein, dass er in Deutschland
arbeite und demgemäß in Deutschland auch
geschäftliche Aktivitäten entfalte. Auch auf den
Grad seiner persönlichen Einbindung in das
französische Umfeld könne es nicht entscheidend
ankommen. Die Gläubigerin habe den Gerichtsstand in
Frankreich selbst ihrem Prozessverhalten zu Grunde
gelegt, als sie die "injonction de payer" beim
Instanzgericht Haguenau beantragt habe. Auch im
Rahmen des Verfahrens nach Art. 31 I EuGVÜ sei es
allein Sache des Vollstreckungsstaats, ob er die
Entschuldungswirkung anerkenne (EuGH, Slg. I 1999,
2543 = IPRax 2000, 18 ff.). Grundlage dafür seien in
Deutschland die §§ 13 I, 15 AVAG.
2.
Diese Ausführungen treffen auch nach Ansicht des
erkennenden Senats zu (vgl. ergänzend BGHZ 122, 373
[375 ff.] = NJW 1993, 2312 = LM H. 12/1993 § 237 KO
Nr. 6). a) Die Rechtsbeschwerde wendet dagegen nur
ein, französische Gerichte seien für ein
Insolvenzverfahren gegen den Schuldner nicht
zuständig gewesen. Denn die Verlegung des Wohnsitzes
des Schuldners in das Elsass sei
rechtsmissbräuchlich. Der Schuldner habe seinen
Wohnsitz nach Begründung der Schuld dorthin verlegt,
um in den Genuss der Restschuldbefreiung des
französischen Konkursrechts zu gelangen. Ein solches
"forum shopping" könne schon aus Gründen des
Gläubigerschutzes nicht anerkannt werden. Jedenfalls
enthalte der angefochtene Beschluss keine
Ausführungen dazu, wie das französische Recht
rechtsmissbräuchliche Wohnortwechsel sanktioniere.
b) Damit wird jedoch nicht in Frage gestellt, dass
der Schuldner im Zeitpunkt der Eröffnung des
französischen Konkurs-(Liquidations-)Verfahrens
seinen Wohnsitz tatsächlich in Frankreich hatte. Die
Gläubigerin zieht insbesondere nicht in Frage, dass
der Schuldner seine Wohnung ins Elsass verlegt hat,
um dort - soweit absehbar - auf Dauer zu bleiben;
immerhin wohnt er jetzt seit mehr als sechs Jahren
dort. Daran ändert es nichts, dass er jedenfalls
einmal innerhalb Frankreichs umgezogen ist und seine
Wohnungen jeweils grenznah zu Deutschland liegen.
Die Umstände, dass er in Deutschland eine
Arbeitsstelle hat und hier teilweise einkauft, sind
rechtlich ebenso unerheblich wie die Tatsache, dass
er den Mietzins an eine deutsche Vermieterin zahlen
muss. Dass das vom Schuldner genutzte Kraftfahrzeug
im Landkreis Rastatt gemeldet ist, hat der Schuldner
unwiderlegt damit erklärt, er habe es von seinem
Bruder geliehen. Endlich ist es für den Wohnsitz -
entgegen der Auffassung der Gläubigerin -
bedeutungslos, dass der Schuldner sich zu
Erklärungen vor einem französischen Gericht eines
Dolmetschers bedient hat. Wenn das französische
Konkursgericht sich nach alledem für örtlich
zuständig hielt, ist dessen Entscheidung mit dieser
Tragweite auch aus deutscher Sicht hinzunehmen.
Insbesondere ist im Rahmen der Prüfung allein der
Zuständigkeit ausländischer Insolvenzgerichte (vgl.
Art. 102 I Nr. 1 EGInsO) grundsätzlich nicht danach
zu forschen, ob die ausländische Rechtsordnung
Vorkehrungen gegen die rechtsmissbräuchliche
Erschleichung eines Gerichtsstands oder gegen die
Ausnutzung eines "forum non conveniens" trifft,
sowie aus welchen Gründen das ausländische Gericht
im Einzelfall davon keinen Gebrauch gemacht hat. Es
genügt in diesem Zusammenhang, dass die Sachlage für
den Regelfall die internationale Zuständigkeit des
ausländischen Insolvenzgerichts (entsprechend § 71
KO/§ 3 InsO) ergibt. Sofern das Ergebnis im
Einzelfall Anstoß erregen sollte, ist dies allein
unter dem umfassenderen Gesichtspunkt eines
Verstoßes gegen die deutsche öffentliche Ordnung zu
prüfen (s.u. II).
II.
1.
Das OLG hat einen Verstoß gegen die deutsche
öffentliche Ordnung mit folgender Begründung
verneint: Die Entschuldungswirkung fremder
Insolvenzverfahren verstoße als solche nicht gegen
die deutsche öffentliche Ordnung. Die Gläubigerin
hätte sich selbst am französischen Verfahren
beteiligen können; ob sie dies tatsächlich getan
habe, sei unerheblich. Dasselbe gelte für den von
ihr geäußerten Verdacht, der Schuldner habe über
deutsche Einkünfte unwahre Angaben gemacht. Sogar
nach Einstellung des französischen Konkursverfahrens
mangels Masse könne entweder eine "ordonnance" des "président
du tribunal" die individuelle Rechtsverfolgung
wieder erlauben (Art. 169 II des französischen
Insolvenzgesetzes) oder das französische Verfahren
auf Antrag der deutschen Gläubigerin wieder
aufgenommen werden, falls deutsches Vermögen nicht
erfasst war (Art. 170 des Gesetzes). Diese
Möglichkeit müsste die Gläubigerin jedenfalls im
Kollektivverfahren der Insolvenz ausnützen, ehe sie
sich in Deutschland auf einen Verstoß gegen die
öffentliche Ordnung wegen betrügerischer
Manipulationen berufe. Denn die denkbare Fortsetzung
oder Wiederaufnahme des Verfahrens im Ausland komme
gegebenenfalls allen Gläubigern zugute, die
Vollstreckung unter Nichtbeachtung der
Entschuldungswirkung würde hingegen in jedem Falle
nur den früher säumigen, vollstreckenden Gläubiger
einseitig begünstigen und könne so die gleichmäßige
Gläubigerbefriedigung nachträglich stören.
2.
Dagegen rügt die Rechtsbeschwerde: Eine
Restschuldbefreiung verstoße allenfalls dann nicht
gegen die deutsche öffentliche Ordnung, wenn sie an
eine bestimmte Mindestbefriedigungsquote oder an
einen längeren Zeitraum geknüpft sei, in dem sich
der Schuldner ernsthaft um eine Schuldentilgung
bemühen müsse. Im französischen Konkursverfahren
dagegen würden die Gläubiger im Verhältnis zum
Schuldner bewusst in unvertretbarer Weise
zurückgesetzt. Das verleite zu einem
"Restschuldbefreiungs-Tourismus". Es komme hier
hinzu, dass die Gläubigerin vorgetragen habe, der
Schuldner habe in dem französischen Konkursverfahren
seine Einkünfte nicht vollständig offen gelegt.
Dieser Einwand müsse dem Gläubiger grundsätzlich
verbleiben, auch wenn er nicht am französischen
Konkursverfahren teilnehme. Er könne nicht darauf
verwiesen werden, die Wiederaufnahme des
Konkursverfahrens in Frankreich zu betreiben, weil
auch die Regelung des Art. 169 II des französischen
Insolvenzgesetzes die individuelle
Gläubigerbefriedigung nachträglich ermögliche.
3.
Damit dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch
a) Die deutsche öffentliche Ordnung ist nur
verletzt, wenn das Ergebnis der Anwendung des
ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der
deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen
Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem
Widerspruch steht, dass es nach inländischen
Vorstellungen untragbar erscheint. Eine bestimmte
Mindestquote als Ergebnis einer konkursmäßigen
Befriedigung setzt das deutsche Recht nicht voraus
(vgl. BGHZ 134, 79 [91 f.] = NJW 1997, 524 = LM H.
4/1997 § 1 VerglO Nr. 1). Hier hat sich inzwischen
die Ansicht durchgesetzt, dass in der
Verbraucherinsolvenz sogar "Nullpläne" zulässig sind
(vgl. BayObLGZ 1999, 310 = NJW 2000, 220 = NZI 1999,
451 = ZIP 1999, 1926 [1928 f.]; OLG Köln, NJW 2000,
223 = NZI 1999, 494 = ZIP 1999, 1929 [1930 ff.]).
b) Seit Einführung der Möglichkeit zur
Restschuldbefreiung für alle natürlichen Personen (
§§ 286 ff., 304 ff. InsO ) ab 1.1.1999 auch in
Deutschland mag es schon allgemein zweifelhaft sein,
ob die Wohnsitzverlegung in einen anderen Staat zu
dem Zweck, unter erleichterten Bedingungen von
Schulden befreit zu werden, rechtsmissbräuchlich
ist.
aa) Die wesentliche Erschwernis des deutschen
Systems der Restschuldbefreiung - im Vergleich mit
den Regelungen anderer Rechtsordnungen - ist die
siebenjährige Wohlverhaltensperiode nach Aufhebung
des Insolvenzverfahrens (§§ 287 I 1, 291 ff. InsO).
In welchem Umfange diese Regelung die
Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger
tatsächlich verbessert, ist bisher nicht geklärt.
Diese Aussichten werden sich zudem mit einem
In-Kraft-Treten des weitgehend vorbereiteten
Änderungsgesetzes zur InsO zusätzlich dadurch
verringern, dass danach gestundete Kostenforderungen
des Staates für das Verfahren den Ansprüchen der
Gläubiger vorgehen. Im Übrigen hätte der Schuldner
hier eine Verkürzung der Wohlverhaltensperiode auf
fünf Jahre gem. Art. 107 EGInsO beantragen können.
Danach lässt sich nicht annähernd abschätzen, in
welchem Umfange die Forderung der Gläubigerin bei
einem in Deutschland durchgeführten
Insolvenzverfahren befriedigt worden wäre. Zwar
verdient der Schuldner monatlich knapp 4000 DM
netto. Er ist jedoch verheiratet und bezieht
Kindergeld, so dass wenigstens ein Kind vorhanden
sein muss. Über die Ansprüche anderer, mit der
Gläubigerin konkurrierender Insolvenzgläubiger ist
nichts dargetan. Nach dem unwidersprochenen
Vorbringen des Schuldners wurde sein in Frankreich
belegenes Vermögen, u.a. ein Hausgrundstück,
verwertet. Danach lässt sich schon allgemein nicht
feststellen, dass die Gläubigerin sich wesentlich
besser gestanden hätte, wenn deutsches statt
französisches Insolvenzrecht anzuwenden gewesen
wäre. bb) Darüber hinaus ist nicht hinreichend
dargetan, dass der Schuldner seinen Wohnsitz - bis
zum Jahre 1994 - rechtsmissbräuchlich nach
Frankreich verlegt hätte. Die Gläubigerin gibt
selbst an, dass eine Verlegung des Wohnsitzes nach
Frankreich den Grenzgängern folgende Möglichkeiten
eröffnet:
1. |
Höhere Gehälter in Deutschland als in
Frankreich, |
2.
|
wirksameren Krankenschutz bei
Mitgliedschaft in einer deutschen
gesetzlichen Krankenkasse, |
3. |
viel geringere Steuerbelastung sowie |
4. |
geringere Lebenshaltungskosten. |
Dies sind rechtlich anerkennenswerte Gründe, die
allgemein einen Arbeitnehmer veranlassen können, die
sozialen Unwägbarkeiten einer Wohnsitzverlegung ins
Ausland auf sich zu nehmen. Demgegenüber lässt das
weitere Vorbringen der Gläubigerin nicht erkennen,
dass der Schuldner im Jahre 1994 nicht aus solchen
Gründen, sondern vorwiegend deshalb nach Frankreich
verzogen ist, um sich seiner Schulden in Deutschland
zu entledigen. Dafür genügen die von der Gläubigerin
vorgebrachten Anhaltspunkte nicht (s. o. I 2b). Sie
sind sämtlich ohne weiteres mit den allgemeinen
Vorteilen vereinbar, welche ein Grenzgänger auf
Grund der eigenen Angaben der Gläubigerin zu
erzielen vermag.
c) Endlich beruft sich die Rechtsbeschwerde auf das
Vorbringen der Gläubigerin, der Schuldner habe in
dem französischen Konkursverfahren seine Einkünfte
nicht vollständig offen gelegt. Jedoch ergeben schon
die Angaben der Gläubigerin in den
Tatsacheninstanzen nicht hinreichend, dass der
Schuldner die Restschuldbefreiung in Frankreich
unter arglistigem Verschweigen wesentlicher Umstände
erlangt hat.
Soweit die Gläubigerin gemeint hat, mit einem
Monatseinkommen von fast 4000 DM könne der Schuldner
nicht zahlungsunfähig gewesen sein, verkennt sie den
Begriff der Zahlungsunfähigkeit: Hierfür kommt es
entscheidend auf das Verhältnis der frei verfügbaren
Zahlungsmittel zur Höhe der insgesamt fälligen
eingeforderten Gläubigeransprüche an. Das pfändbare
Monatseinkommen des Schuldners hätte nicht einmal
ausgereicht, um die gesamte Forderung der
Gläubigerin innerhalb eines Jahres zu erfüllen,
soweit keine Stundung gewährt.
Darüber hinaus ist nicht dargetan, dass der
Monatslohn des Schuldners der französischen
Konkursverwalterin bis zum Zeitpunkt der
Verfahrenseinstellung am 18. 5. 1999 nicht bekannt
gewesen wäre. Der Umstand allein, dass ein Schuldner
erwerbstätig ist und pfändbaren Lohn bezieht,
schließt eine Einstellung des Konkursverfahrens
mangels Masse auch nach deutschem Recht
grundsätzlich nicht aus, wenn das übrige werthaltige
Vermögen verwertet ist (vgl. Grub/Smid, DZWir 1999,
1 [2ff.]; Beule, in: Festschr.f. Uhlenbruck, 2000,
S. 539 [561]; Haarmeyer, ZInsO 2001, 572f., gegen AG
Düsseldorf, ZInsO 2001, 572; AG Duisburg, NZI 2001,
106 = ZInsO 2001, 273 [274]; vgl. künftig § 196 I
InsO i.d.F. des Art. 1 Nr. 12 des geplanten ÄndG).
Wenn die Gläubigerin schließlich - wie sie geltend
macht - nicht weiß, ob der Schuldner ihre Forderung
im französischen Konkursverfahren angegeben hat, ist
das rechtlich unerheblich. Denn in Frankreich
obliegt es - wie in Deutschland - auch dem Gläubiger
selbst, seine Forderungen zum Verfahren anzumelden.
Nach der nicht im Einzelnen bestrittenen Angabe des
Schuldners soll sogar die Gläubigerin am
französischen Konkursverfahren teilgenommen haben.
d) Die Darlegungslast für einen Verstoß gegen die
deutsche öffentliche Ordnung obliegt der
widersprechenden Gläubigerin. Da sie ihr nicht
genügt hat, ist die in Frankreich erteilte
Restschuldbefreiung anzuerkennen.
Kommentar:"Vive la France !" kann man nach diesem
BGH-Beschluss nur sagen. Der offenbar deutlich
frankophile 9. Senat des BGH hat mit diesem
Beschluss eine Lanze für Europa gebrochen und
klargestellt, dass in einem vereinten Europa die
Restschuldbefreiung nicht mit Überschreitung der
Grenzen enden kann. Es ist das Recht jedes
EU-Bürgers, Wohnsitz und Arbeitsplatz frei zu wählen
und im Einzelfall auch die hohe soziale Sicherheit
eines deutschen Arbeitsplatzes mit den
Annehmlichkeiten eines Wohnsitzes in Frankreich zu
verbinden. Diese Annehmlichkeiten beschränken sich
nicht nur auf das bekannt gute Essen im Elsass,
sondern beziehen sich in diesem Fall auf ein im
Vergleich zur "alten" deutschen InsO sensationell
kurzes ( 3 Jahre und 4 Monate ) Verfahren zur
Restschuldbefreiung.
Nachdem im detailverliebten und formularbesessenen
Deutschland der Schuldner mindestens bis zum Jahre
2005 auf seine Restschuldbefreiung hätte warten
müssen, war er dank Wohnsitz in Frankreich schon am
24.6.1999 am Ziel. Allerdings wurde auch hier
vorhandenes Vermögen ( ein Hausgrundstück )
vollständig verwertet.
Das deutsche Kreditinstitut sah hierin einen
Rechtsmissbrauch und eine Gefährdung der
öffentlichen Ordnung. Es sah die Gefahr eines
"Restschuldbefreiungs-Tourismus" in Europa. Der BGH
hat demgegenüber klargestellt, dass diese (
vereinzelten ) Fälle nicht zum Untergang des
Abendlandes führen und in einem zusammenwachsenden
Europa akzeptiert werden müssen.
Übertragbar ist die rechtliche Situation bezüglich
der Restschuldbefreiung auch auf unser Nachbarland
Österreich. Gemäß vorstehendem Beschluss müsste auch
die einem Deutschen mit Wohnsitz in Österreich
erteilte Restschuldbefreiung in Deutschland
anerkannt werden, wobei jedoch in Österreich der
Schuldner eine Mindestquote von 10 % zu erbringen
hat.
EU-Verordnung Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren
Wer ganz sicher gehen will, sollte jedoch mit seinem
Verfahren bis zum 31.5.2002 warten. Dann tritt die
Verordnung des Rates der Europäischen Union Nr. 1346
/ 2000 vom 29.5.2000 ( Fundstelle: NZI 2000, 407 -
415 ) in Kraft und in allen Mitgliedsstaaten der EU
müssen die Wirkungen einer Auslandsinsolvenz
anerkannt werden.
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